Dienstag, 19. Juli 2011

Winter grüßt Sommer

Ich habe mir und meinen Selbstheilungskräften nun schon den zweiten Tag frei gegeben. Das Beschneiden der Äste belastet die Hände leider sehr einseitig. Nun sind mir nachts die Hände eingeschlafen und diese schmerzen! Zwei Finger fühlen sich vorn ein bisschen taub an. Das hört sich ganz schön schlimm an, nehme ich an. Tatsächlich tut jedem von uns etwas weh. Mal mehr, mal weniger. Eine Tschechin, die mit uns arbeitet nimmt die Schmerzen ganz tapfer und ist dabei noch flink wie ein Wiesel. So verdient sie sich in kurzer Zeit viel Geld für ihre weiteren Reisen. Ich will versuchen mich schnell wieder zu heilen, so dass ich den anderen bald wieder folgen kann.

Entschädigend für die körperliche Pein im Weinfeld wirkt allein schon das Ambiente, die das Gemüt so beruhigende Landschaft, die herrliche frische Luft, der viele Sonnenschein (wobei es auch richtig schütten kann und manchmal weht ein Wind, dass man denken könnte, das Haus flöge uns davon.) Und ob man es mir glaubt oder nicht, die Arbeit ist toll. Die Männer schneiden zu erst mit großen Heckenscheren die Weinpflanzen so zu recht, das nur wenige Triebe stehen bleiben. Danach trimmen die Frauen diese Triebe, schneiden die kleinen Tentakel der Weinpflanzen mit einer Gartenschere ab, kürzen die Äste und wickeln sie einzeln und je vier pro Pflanze um die gespannten Drähte. Alle übrigen Äste abschneiden, fertig. Zwei Minuten Beschneidedauer maximal pro Pflanze, dann geht's zur Nächsten. Am Tag schafft man so zwischen 250 und 300 Pflanzen, wenn man recht flink ist.

Wenn man so eine Arbeit verrichtet, kann man gut beobachten, was vor sich geht. Außen und innen. Man kann sich unterrichten ganz präsent zu sein, den Wind zu spüren, den Lauten der Vögel, den herannahenden Schafen, dem stetigen Wasser des Bachs zu lauschen. Den eigenen Gedanken zu hören, sie auf den Nullpunkt bringen und einfach nur zu sein. Das ist meine tägliche Übung und die Arbeit ist perfekt dafür.    

Ich sitze nun hier oben in unserem Häuschen und blicke herunter auf das Tal, in dem die Weinfelder liegen und in dessen Reihen die anderen werkeln. Wir wohnen und arbeiten hier zu sechst: Maxime und Aurélie aus Paris, Peter aus Leipzig, Katarina aus Prag und wir zwei beiden.

Sonnenaufgang...

...Sonnenuntergang

Unser Haus von innen

Es hat geschneit in den Bergen.


Unser Haus von außen


Peter wärmt sich am Morgen.

Vollmond

Keine Seltenheit



Vulkanaschewolken

Tiefe Wolken


Morgens um 7:30 Uhr.

Durch den Matsch zum Wrack.




Unsere Tagesabläufe sind meist ähnlich. (Hannes meint, deswegen kommt es uns so vor, als flöge die Zeit nur so an uns vorbei.) Morgens kriechen wir vor sieben, kurz vor Sonnenaufgang aus dem Bett, bereiten uns Cornflakes (weil wir kein Müsli oder Toastbrot mehr sehen können) und düsen dann mit unserem Arbeitsvehikel den Hang hinunter. Abends nach der Arbeit kuscheln sich alle vor den Heizer, lesen, beantworten emails, schauen einen Film, quatschen, kochen oder spielen Scrabbel. An einem Tag der Woche fahren wir gewöhnlich in die 25 km entfernte Stadt. Meist dienstags, denn da ist in Blenheim Pizzatag. Da fahren wir manchmal mit unseren netten Franzoßen hin und essen die Pizzen dann in ihrem Wohnmobil. Gestern saßen wir zu fünft in dem kleinen Wohnwagen und tauschten miteinander Pizzastücke. War das gemütlich!

Nun will ich die Ereignisse der letzten Monate zusammen fassen. Unser letzter Eintrag berichtete von der südwestlichesten Ecke Neuseelands, dem Fiordland...


[Die Texte und Fotos befinden sich nun jeweils in einem eigenen Eintrag. Einfach den Links hier im Artikel oder rechts im Bedienfeld folgen!]


Unsere weitere Route führte durch das Landesinnere, durch wunderbare Orte wie Wanaka und Queenstown, wo wir schon zuvor waren und herrliche Wanderungen gemacht haben. Es galt nun wieder langsam in Richtung Norden zu gelangen. Ein paar Ziele haben wir uns gesteckt: Hannes wollte einen mutigen Bungysprung von einer Brücke über dem blauen Kawarau-River und einen noch mutigeren Skydive-Sprung aus 4500 Metern Höhe erleben, bei denen ich jeweils nur Zuschauer war (aber nicht minder aufgeregt). Dann kauften wir noch Wanderschuhe für mich in Queenstown, besuchten noch einmal das einzigartige Cinema Paradiso in Wanaka (ein kleines Programmkino, in dem man auf Sofas lümmelt) und trafen dort durch Zufall Rahel, eine deutsche Freundin. Die Reise führte uns darauf weiter nördlich zum Floxgletscher.






Und nun sind wir hier in Blenheim schon neun Wochen. Wenn täglich das Murmeltier grüßt, rast die Zeit wie ein Raumschiff an uns vorbei. Wir können es kaum glauben. Unser Konto füllt sich wieder und bald geben wir alles nach Herzenslust aus. Mal sehen wie und wo...




Wir haben gehört, dass in Deutschland die Sonne versteckt bleibt. Bei uns übrigens auch gerade. Wo ist sie nur?

Liebste Grüße von Hansfratz und mir an alle, die den Blog verfolgen und viel Spaß beim Genießen des Sommers, der hoffentlich bald wiederkehrt!

C.

Catlins

 
Wir kamen am Lake Maharau an. Ein See im Fiordland. Diese Gegend und einige Wanderwege standen für die nächsten Tage auf unserem Plan. Doch irgendwie waren wir müde. Ob es nun ob der klirrenden Kälte der letzten Tage war oder ob des zähflüssigen Vorrankommens in dieser Gegend, die für mein Empfinden manchmal zu schroff sein kann und doch beeindruckend zu gleich, oder waren es die immer noch schmerzenden Füße... Da haben wir dem Campingplatz am Lake Maharau einen kurzen Besuch abgestattet. Hätten wir das nicht getan, hätten wir nicht diese nächste spontane Reise unternommen, die uns so sicher an den windigkaltnassen Tagen vorbei geschleust hat. Das war wohl eine Coinsidenz, ein glücklicher Zufall.


An der Rezeption des Campingplatzes arbeitete eine deutsche Backpackerin. Und da wir ungestört plaudern konnten und sie keine weiteren Gäste bedienen musste, erzählte sie uns von den Catlins, der Küstengegend im Südosten Neuseelands, die sie gerade erst bereist hat. Sie zeigte uns Bilder von den Delfinen in den schönen Buchten und von der gemütlichen kleinen Herberge in Curio Bay, in der sie untergekommen war. Da waren wir auf einmal frisch aufgetankt mit Reiselust und hatten es plötzlich ganz eilig dahin zu kommen. Wir warfen unsere Pläne über Bord und fuhren lang durch die Nacht hin zu den herrlichen Catlins. Ein bisschen wehmütig war Hannes schon, weil er gern noch den hintersten Winkel des Fiordlands gesehen hätte, aber das Abenteuer konnte eben nicht warten.

Wir buchten zuerst eine Nacht in der empfohlenen Unterkunft in Curio Bay. Als wir ankamen in dem kleinen gemütlichen Cottage, fühlten wir uns sogleich wie zu Hause. Es war zwar ein kleines Häuschen aus Holz, in dem es, wenn es draußen stürmte auch aus allen Ritzen pfiff. Aber dafür war es umso gemütlicher mit Kamin und zwei Sofas davor, auf denen die beiden Katzen des Hauses hin und wieder Platz nahmen und sich von uns streicheln ließen. Das stürmige Wetter hat uns zum Drinbleiben überredet. So machten wir es uns richtig bequem, zündeten uns Kerzen an, feuerten den Kamin an, kochten etwas Leckeres und musizierten bis spät in die Nacht hinein. Ich habe diesen Tag zu einem der schönsten unserer Reise erklärt. Weil es so paradisisch ist, einen richtig gemütlichen Ort zu genießen, an dem einfach alles stimmt. Dazu kam noch der runde Mond direkt über der Bucht und dass wir an diesem Abend allein waren, obwohl das Häuschen noch zwei weitere bezugsfertige Zimmer hatte. Und der Blick am Morgen vom Bett aus dem Fenster: so nah das Meer, als würden die Wellen gleich hereinrollen. Da das Häuschen für die nächsten Tage ausgebucht war, buchten wir bei den in der Nachbarschaft wohnenden Vermietern noch drei weitere Nächte für die darauf folgende Woche und freuten uns königlich auf ein Wiederkommen.

In der Zwischenzeit fuhren wir die Küstenstraße der Catlins entlang in Richtung Dunedin. Auf dieser Straße gibt es aller paar Minuten einen Ausflugspunkt zu bekunden und es ist die Mühe wert, an jedem einzelnen anzuhalten und den Wegen zu folgen. So kamen wir zum Beispiel zu einem sich durch Urwald schlängelnden Weg zum Strand, wo man die großen Höhlen bestaunen kann, die das Meer in die Klippen gespült hat; oder der Pfad zum Nuggetpoint, wo ein einsamer Leuchtturm auf den Klippen steht und sich das Meereswasser an den unten im Meer liegenden Felsbrocken bricht, die an Nuggets erinnern; oder wir spazierten auf Waldwegen, die zu Wasserfällen führten.

Da, an einem besonders schönen Aussichtspunkt mit Blick über die Küste, dem Florence Hill View Point, sind wir zum ersten Mal Matthieu begegnet. (Unsere Wege haben sich nämlich seit dem noch häufiger gekreuzt.) Ein alter Mann, dem das Weideland gehörte, bot uns an über den Zaun zu klettern, um den Sonnenuntergang vom Klippenrand zu bewundern. Wir nahmen das gerne an und stolperten über die Wiese, um uns dann an einem herrlichen Blick satt zusehen. Den Mond im Rücken sahen wir die letzten Sonnenstrahlen durch feinen Nebel auf das wilde Meer scheinen. Silhouetten von Urwaldbäumen im Nebel und atemberaubende Farbenspiele. 50 Meter unter uns das tosende Wasser, welches an den Felsen zu hohen Fontänen aufsprühte und mit riesigen dunkelgrünen Seealgen spielend mit der weißtürkisen Gischt wunderschöne Bilder formte. Die beiden mutigen Jungs haben sich sogar zum Fotoknipsen auf eine Kuhweide gewagt, auf der auch ein Bulle stand. Was tut man nicht alles für ein gutes Foto. :) Zum Glück waren das die letzten Bilder, die wir noch auf der Speicherkarte hatten, die nicht dem Dieb in die Hände gefallen sind...

All diese Tage hatten wir gutes Wetter. Als es ungemütlich wurde und uns sogar Eisregen auf unser Dach prasselte, waren wir wieder in unserer Herberge in Curio Bay angekommen und mümmelten dem Wetter zum Trotz vorm Kamin. Diesmal bekamen wir zwei der drei kommenden Nächte Besuch. Einmal war das Hüttchen voller Reisender, darunter ein Holländer, ein Amerikaner und eine Frau aus Littleton, die dem Erdbebenschock von Christchurch mit einer Reise durch den Süden überwand. Am letzten Abend, als wir uns schon freuten schon wieder allein zu sein und wir uns das Sofa direkt vor den Kamin geschoben hatten, kamen drei erfrorene Hühner hereingeschneit. Drei deutsche quirlige Mädels, die ganz viel zu erzählen hatten. Es dauerte nicht lange, da haben wir uns auf einen Stimmungspegel, irgendwo in der Mitte zwischen besinnlich und euphorisch, getroffen und tatsächlich ein richtig netten Abend verbracht... 









Steilküste

In unserem Haus an der Curio Bay



 









C.

Ausflug zur Otago Peninsula