Dienstag, 19. Juli 2011

Wellington

 
Unsere Fährfahrt von Picton nach Wellington war für uns, obwohl sie als eine der schönsten der Welt gilt, leider eher zweckmäßig. Doch um die wunderschönen Gewässer des Marlborough Sounds so richtig genießen zu können, braucht man etwas Sonne, und die versteckte sich in den dreieinhalb Stunden Überfahrt hinter dicken Wolken. Stattdessen war es mehr oder weniger regnerisch und neblig. So gestaltete sich auch der Aufenthalt an Deck eher ungemütlich und wir zogen es vor, uns überwiegend unter Deck aufzuhalten, von wo aus die weite Landschaft nicht ganz so schön wirkt. Ich hielt mich allerdings ganz tapfer über längere Zeit immer wieder draußen auf, um Fotos zu schießen und natürlich um nach Delfinen Ausschau zu halten. Als wir es schon nicht mehr erwarteten, sahen wir sie dann doch noch: Eine ganze Gruppe (Hannes meint, dass nenne man Schule) von Delfinen tummelte sich an der Oberfläche und sie sprangen wie wild immer wieder hoch. Wir können nur vermuten, dass sie gerade einen großen Schwarm Fische in Angriff nahmen.

Am Abend kam die Fähre in der großen Stadt an. „Wellington, was für eine Metropole!“, denken wir, so wie wir durch die Rush Hour fahren. Alle Kiwis fahren jetzt nach Hause. Heraus aus den Hochhäusern, heraus aus der geschäftigen City. Wir können es kaum glauben und schießen Fotos aus dem Auto heraus. Die vielen Lichter, die eng aneinander stehenden Hochhäuser, der hektische Verkehr. Wellingtonscher Regen auf der Windschutzscheibe. 

Wir stellen das Auto ab und laufen ein bisschen durch die Stadt. Es ist deutlich wärmer. Nach der Südinselidylle ist der Reizüberschuss hier eine echte Herausforderung. Ich kann mir plötzlich gar nicht mehr vorstellen, warum ich mich so auf die Nordinsel und das Arbeiten gefreut habe.
Wir fahren in Richtung Kapiti Coast, die Gegend, in der wir uns für den nächsten Tag bei Chris, unserem Freund vom Luminate Festival, angemeldet haben. Zum Übernachten parken wir unseren Van auf einem Rastplatz neben der Schnellstraße und neben Zugschienen. Puhhh...

Chris‘ Haus ist eine rumpelige aber gemütliche Baustelle. Wenn er die Wände streicht mit hell-lila Farbe, räumt er die Möbel von der Wand und legt los. Der Staub der vorher abgeschliffenen Bretter und die kleinen Farbspritzer setzen sich überall im Haus fest. Auf dem Geschirr, in den Schränken, die offen stehen, auf dem Boden. Aber das stört ihn nicht die Bohne. Er malt dann, wenn ihm gerade danach ist. So dauert der Hausbau schon ein Jahr und wer weiß, wann es fertig wird. Und es eilt auch nicht, meint Chris, denn der Weg ist das Ziel!

Unsere gemeinsamen Tage verbrachten wir mit frühmorgendlichem Essen von Pfannkuchen (nach Chris‘ Spezialrezept mit Reismehl und Bananen), Spaziergängen am Fluss und nahe gelegenen Strand, Trampolinspringen zwischen Farbeimern, Singen, Trommeln, Mundharmonika, Gitarre spielen und Freunde treffen. Und wir haben es so genossen, ein eigenes Zimmer zu haben. Eines mit Teppich, wo man sich ausbreiten kann. So habe ich meine tägliche Yogapraxis wieder begonnen und mich von Chris zu Meditation und Chanten inspieren lassen. Und wie heilsam es ist, sich täglich den Übungen zu widmen. Es tut so gut und bringt alles in Lot.

Chris‘ tägliches Verwöhnprogram für Körper, Geist und Seele ist eine Stunde Meditation plus einer Stunde Workout – Kraft und Ausdauertraining, dazu täglich 45 Minuten Singen von Mantren (Chanten), Ernährungsqualität hochhalten und viel Lachen - eigentlich über alles. So war es auch, als wir bei ihm waren. Eine herrlich unbekümmerte Zeit und unser Vorhaben, schnell eine Arbeit zu suchen sowie unsere Bemühungen dahingehend waren nur noch ein kleines Licht am Horizont.

Abends lümmelten wir vorm Kamin. Nun da es Winter ist in Neuseeland, wird es nämlich nach Sonnenuntergang so kalt, dass man jeden Abend den Ofen anheizt. Wir haben eine sehr schöne Zeit bei Chris verbracht und wollten gar nicht wieder weg. Es ist herrlich, nach dem vielen Herumreisen auch mal anzukommen und dann noch bei so einem seelensguten Menschen Obdach zu finden. Aber uns wurde klar, dass wir am liebsten wieder Saisonarbeit machen wollten: Raus aus der Stadt, hinein in die Pampa und mit Leuten aus Allerherrenländer zusammen draußen auf einer Plantage schufften.
So riefen wir uns in Erinnerung, dass wir von einem deutschen Pärchen, welches wir auf dem Catlins River Festival getroffen hatten, einen Tipp für einen Vineyard-Job in Blenheim erhalten hatten. Und nachdem wir mit unserem zukünftigen Boss ein paar emails austauschten, er freundlich und bemüht war und uns ein duftes Gehalt versprach, erschien uns diese nach vielen anderen Optionen, wie z.B. Arbeiten im Supermarkt, Promotion und Kiwiernte, als die günstigste.

Chris überließ uns für die letzten Tage sein Haus, da er zu einem Seminar nach Auckland musste. Da konnte ich endlich meine Muscheln auspacken, die die ganze Zeit im Auto vor sich hin stanken. Erst putzte ich sie mit Waschmittel und als sie noch immer bestialisch stanken, kochte ich sie draußen auf der Veranda auf unserem Campingkocher. Der Gestank wäre drinnen nicht auszuhalten gewesen. Am Ende holte ich eine dicke Muschel aus dem Seifenwasser. Ich wollte das Wasser aus dem großen schneckenförmigen Muschelkörper rausschütteln, da plumpste etwas weißes Glitschiges ins Wasser. Ich erschrak mich zu Tode. Kreischend lief ich hinein und kreischte noch lange weiter. War das eklig! Ich habe bestimmt fünf Muschelleben auf dem Gewissen. Wenn wir nun im Supermarkt an frischen Muscheln vorbei kommen und ich sie rieche, wird mir ganz übel.

Hannes fuhr in der Zeit noch ein Paar mal nach Wellington, weil die deutschen Botschafter es sehr genau mit allem nehmen, doch am vorletzten Sonntag im Mai konnten wir dann erneut die Fährfahrt genießen. Diesmal allerdings in die andere Richtung.


C.

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