Mittwoch, 2. Februar 2011

Und täglich grüßt das Murmeltier


Da wir uns mit den Einträgen mehr oder  weniger abwechseln, ist die Reihe nun an mir, den letzten Monat zusammenzufassen. Zunächst einmal die Nachricht der Nachrichten: Wir haben endlich unsere Reise begonnen - oder fortgesetzt, wenn man so will.

Spontan entschieden wir uns, nicht mehr bis Ende Januar in Kaituna Valley zu bleiben, sondern schon eine Woche vorher abzureisen, um ein Festival in Takaka Hill, im Norden der Südinsel zu besuchen. Da genau in dieser Zeit, die Steinobsternte beginnen sollte, waren die Verantwortlichen im Orchard (sprich: Oatschart = Obstgarten) über unsere Entscheidung natürlich etwas betrübt, aber sie konnten es ebenso gut verstehen. Doch um hier eine Chronologie hineinzubekommen, fang ich am besten von vorne an.

Carinas Bericht endete mit den Tagen nach Weihnachten. New Years Eve, also Silvester, war für uns völlig unspektakulär. Ich habe selten so ein unspektakuläres Silvester erlebt. Wir mussten an dem Tag arbeiten und in Kaituna Valley war am Abend natürlich nichts los. Wir fragten einige Einheimische, was sie wohl tun werden, aber diese schienen keine großen Ambitionen zu haben, die Nacht besonders zu feiern. So machten wir uns auf nach Christchurch, weil wir uns dort am ehesten etwas erwarteten. Wir parkten unser Auto in der Nähe der City und liefen zum Cathedral Square und folgten so dem Menschenstrom, der sich auf den Straßen bewegte. Wir gelangten an eine Art Einlass, wo wir darauf hingewiesen wurden, dass Alkoholika im Festivalgelände nicht erlaubt seien. Unser Bier hatten wir noch nicht ganz ausgetrunken und so verweilten wir direkt davor und unterhielten uns mit der netten Dame, die als Grenzposten aufgestellt war. Unsere Konversation weilte jedoch nicht lang, da kamen zwei Polizisten auf uns zu gelaufen, rissen uns die Pullen aus der Hand und verbannten diese mitsamt der Neesche in die Mülltonne. Wir verstanden das nicht so ganz, da wir ja an der Grenze extra gewartet hatten, aber nun erfuhr ich, dass es in Neuseeland, wie in den USA, generell verboten ist, auf der Straße Alkohol zu trinken. Ob das stimmt, konnte ich bisher nicht überprüfen, doch es würde die Sache erklären. Jedenfalls konnten wir nun unseres Getränkes beraubt das Festivalgelände betreten und stießen auch gleich auf eine große Menschenmenge, von denen der überwiegende Teil in eine Richtung starrte. Wir taten es der Menge gleich und erblickten die von TV-Kameras gefilmte protzige Live-Cover-Band, die unser leider nicht in ihren Bann zu ziehen vermochte. Letzten Endes landeten wir in einem English-Pub, in dem wir ein klein wenig Livemusik der kleinkünstlerischen Sparte erleben dürften. Das gefiel uns mehr. Es wurde 0 Uhr, zehn Raketen gingen draußen hoch, ich wurde von einer Wildfremden gedrückt und wenig später zogen wir es vor, wieder nach Kaituna zu fahren, um schlafen zu gehen.
Silvester ist wahrlich nicht das größt gefeiertste Fest bei den Kiwis. Auch Weihnachten können viele junge Menschen nicht so viel abgewinnen. Aber wie gesagt, das gehört wohl auch eher in den Winter. Weihnachten im Sommer bleibt für uns völlig surreal.




Kaituna Valley von oben





Nach dem Neujahrestag änderte sich an sich wenig. Im Orchard erkannte man, dass man zu vielen Arbeitskräften gekündigt hatte und so musste man einige zurückholen. Trotzdem blieb die Zahl angenehm überschaubar. Die Arbeitsatmosphäre war entspannt und wir bekamen einen besseren Draht zu unseren Kollegen. Die Kirschsaison war ja im Großen und Ganzen vorüber, doch nichtsdestotrotz pflückten wir zur Freude aller an dem ein oder anderen Tag im Januar Kirschen. Für uns war es spaßig jeden Morgen unseren Supervisor Justin erneut zu fragen: „Cherries?“ Überwiegend mussten wir allerdings mit eher langweiliger Arbeit vorlieb nehmen. Carina wurde häufig am Fließband eingesetzt und ansonsten arbeiteten wir in den Weinbergen und an den Pfirsich-, Nektarinen- und Aprikosenbäumen. Wobei ich die Tage, an denen ich meinen MP3-Player vergas, wirklich hasste. Bei so langweiliger Arbeit, wie die in den Weinbergen, will die Zeit einfach nicht vergehen. Und wer denkt, dass Pfirsiche Pflücken ein Vergnügen ist, der irrt sich. Die kleinen Härchen lösen sich vom Pelz und wenn man hunderte von Früchten in der Hand hatte, hat man die Härchen überall am Körper und das juckt wie sau. Nichtsdestotrotz vergingen die Tage rasend schnell, da es fast jeden Tag der gleiche Ablauf war: Aufstehen, etwas Essen, zum Orchard fahren, dort einchecken und sehen was einen erwartet, acht oder neun Stunden rumbringen, zurückfahren, in der Unterkunft Lunch für den nächsten Tag machen und zum Schluss dinieren.

Die Organisation der Arbeit war in der Regel ein Desaster. Wahrscheinlich weil der Manager im Dezember ganz plötzlich einen Schlaganfall erlitt und gänzlich ausfiel. So erfuhren wir immer erst am Morgen, was wir tun sollten, aber im Laufe des Tages konnte sich dies auch schnell ändern. Die Ankündigung, dass es am nächsten Tag frei gäbe, nahm zum Schluss niemand mehr ernst. Zu oft bekamen wir am Abend davor dann doch die Nachricht, dass wir zu erscheinen haben.



Die Stimmung wurde zum Ende hin immer lockerer. Es wurden immer weniger Leute und der orchardeigene Pool wurde repariert. So war uns in den großen Pausen und nach der Arbeit, wenn es heiß war, eine wunderbare Möglichkeit zur Abkühlung gegeben.
Der sonst so miesepetrig und finster dreinblickende Millionär, dem der ganze Laden gehörte, zeigte sich auch manchmal von seiner großzügigen Seite. So gab es zwar erst mächtige Diskussionen, bevor er bereit war, uns allen die uns zustehenden Feiertage zu bezahlen, aber er veranstaltete auch an einem Wochenende eine Poolparty, die man als durchaus gelungen bezeichnen könnte. Der Gastgeber selbst ist zwar kaum anwesend gewesen, aber seine wesentlich jüngere Frau bewirtete uns fabelhaft.

Interessant waren in dieser Zeit auch noch Einblicke in die Pläne unseres Supervisors Grant zu bekommen. Wir verstanden uns so gut mit ihm und seiner Familie, dass er uns alle Interna anvertraute. Grant soll nämlich nach drei Jahren Einarbeitungszeit, den alten Manager ablösen, der dann wohl in den Ruhestand geht. Er würde am liebsten den Besitzer überzeugen die ganze Plantage in eine bio-dynamische Farm umzuwandeln. Wir fanden die Idee grandios. Grant meinte man könnte den Besitzer allerdings nur überzeugen, indem man ihm vorrechnet, dass er dann besser verdiene. Leider ist der Besitzer sehr wankelmütig und so kann es durchaus sein, dass er die gesamte Plantage zu Weideland macht und noch mehr Schafe drauf grasen lässt. Ihm gehört das halbe Valley (Tal) und auf beinahe der gesamten Fläche grasen die Schafe. Diese bringen wohl mehr Geld.


In unserer Unterkunft war es im Januar schon ziemlich ruhig, doch am Ende verließen uns auch noch Andy und Sinéad. So verbrachten wir die letzten paar Tage zu dritt im Haus. Das barg so einige Vorteile. Wir schliefen heimlich in einem der freien Zimmer und hatten viel Platz uns auszubreiten. Aber auch vorher schon wussten wir die leerstehenden Räume für Yoga, Pilates oder diverse Ruhestunden zu nutzen.

J.

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